Tobias Ulbrich # @AnwaltUlbrich ( https://x.com/AnwaltUlbrich/status/1987981572637938123 )
Niedersachsen, wir haben ein Problem – wenn sich der Verdacht bestätigt
Ein grüner Zettel, eine rote Linie?
In Akten niedersächsischer Versorgungsämter taucht ein „grüner Zettel“ auf – eine einfarbige, behördlich gestaltete Seite mit medizinischer Bewertung, die auf den ersten Blick nach interner Handreichung aussieht.
Sein Tenor: „Post-Vac“ ist nach aktuellem Wissensstand nicht als Impffolge anzuerkennen; Rechtsprechung spreche gegen Ansprüche; neue Anträge erst bei künftig neuen Erkenntnissen. So (verkürzt) der Inhalt dieser Einlage, wie er in mehreren Abschnitten dargelegt wird. Wenn diese Seite flächendeckend in Akten landeten – und zwar einseitig zulasten Betroffener –, dann reden wir nicht über Bürokratiekosmetik, sondern über die Frage, ob Verwaltungspraxis sich vom Gebot der Gesetzes- und Rechtsbindung (Art. 20 Abs. 3 GG) entfernt.
Grüner Zettel
Was steht (und was fehlt) auf dem grünen Blatt?
Einseitige Grundthese: „Post-Vac“ sei „derzeit“ nicht als Impffolge anzuerkennen – eine Generalklausel, die in der konkreten Einzelfallprüfung leicht zur Negativschablone werden kann. Auf Seite 1 wird dies ausdrücklich als Bewertung vorangestellt. Einzelfallmedizin findet so kaum statt, wenn die Schablone über allem liegt.
Grüner Zettel
Selektive Rechtsverweise: Auf Seite 2 werden gerichtliche Entscheidungen zitiert, die Ansprüche verneinen – positive sozialgerichtliche Entscheidungen oder differenzierende Beschlüsse fehlen vollständig. Der Eindruck entsteht: Nur ablehnende Rechtsprechung sei maßgeblich - positive Rechtsprechung hingegen nicht.
Behörden-Argumentation „en bloc“: Seite 2/3 referiert Statistiken und internationale Bewertungen (PEI/EMA/ICMRA etc.) mit dem Fazit, dass nicht Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft zählten, die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts maßgeblich seien, sondern Behördenmeinungen, die durch keinerlei Fakten selbst unterlegt sind.
So sei mit Platitüden zu antworten, dass es kein belastbaren Nachweis für bestimmte Kausalverläufe gäbe – ohne die hierzu geführten wissenschaftlichen Kontroversen oder gegenläufige Auffassungen in den wissenschaftlichen Puplikationen auch nur zu erwähnen.
Grüner Zettel
Kurz: Wer dieses Blatt als erste Lesehilfe in der Akte findet, wird auf Ablehnung gepolt – nicht auf ergebnisoffene Sachverhaltsaufklärung.
Es gibt umfangreiche, aktenreife Ausarbeitungen zu Wirkmechanismen und Schadpotenzial der mRNA-Technologie, der Produktionsumstellung („Process 2“), Rest-DNA-Thematik und LNP-Verteilung – unabhängig davon, wie man diese bewertet. Das gerichtliche Sachverständigengutachen „Fakten zu Comirnaty“ (18.12.2024) bündelt genau solche Punkte (Herstellung, SV40-Elemente im Produktionsplasmid, dsRNA/Fragment-Thematik, Aufreinigung, immunologische Effekte) und ist geeignet, sachverständige Aufklärung in Einzelfällen zu stützen. Dass ein behördlicher „Leitfaden-Zettel“ solche Materialien nicht einmal erwähnt, ist – gelinde – erstaunlich.
Transparenzgebot statt Akten-Triage: Wer nur negatives Material systematisch in die Akte legt, aber entlastende oder differenzierende Erkenntnisse nicht einmal zur Kenntnis bringt, verschiebt das Gewicht der Beweiswürdigung – und zwar ex ante, noch bevor der Einzelfall geprüft ist.
- Verfassungsrechtlicher Kompass: Art. 20 Abs. 3 GG
- Der Staat ist an Gesetz und Recht gebunden. Dazu gehören:
- Einzelfallgerechtigkeit (keine pauschale Vorfestlegung),
- objektive Amtsaufklärung (auch zugunsten der Betroffenen),
- faire Verfahrensführung (Transparenz über verwendete Quellen).
Sollte das niedersächsische Landesamt – fiktiv unterstellt – die Versorgungsämter per „grünem Zettel“ auf generelles Ablehnen einstimmen, wäre das nichts weniger als ein Paradigmenwechsel weg von Art. 20 Abs. 3 GG: Verwaltung ersetzt Recht durch Richtlinie, Einzelfallprüfung durch Textbausteine. Genau das darf ein Rechtsstaat nicht zulassen.
„Jeder hat es vermutet – aber so offen?“
Dass Behörden sich „von oben“ einnorden lassen, ist eine Stammtischthese. Neu (und verstörend) wäre, wenn es so offen, aktenkundig und ohne Korrektiv geschieht – ohne den Versuch, vor Akteneinsicht „grüne Zettel“ zu entsorgen. Sollte sich dieses Muster bestätigen, reden wir über ein Systemproblem, nicht über „Ausrutscher“.
Was jetzt zu tun ist
Sofortige Offenlegung: Innen- und Sozialministerium müssen erklären, woher der „grüne Zettel“ stammt, wer ihn freigegeben hat und welchen Verbindlichkeitsgrad er hat.
Wenn ein behördliches Blatt pauschal ablehnt, gehört gleichberechtigt eine Pro-Aufklärung-Notiz in jede Akte – mit Verweis auf einschlägige Gutachtensammlungen (z. B. „Fakten zu Comirnaty“) J.M. Sabatie et al, Forchette et al. etc. und die Pflicht, positive Gerichtsentscheidungen und gerichtliche Gutachten mitzuwürdigen.
Medizinische Bewertung ist individualmedizinisch. Der „grüne Zettel“ kann gleichermaßen als Schablone über jeden gleichgelagerten Fall gelegt werden.
Der Sozialausschuss des Landtags in Niedersachsen sollte Aktenstichproben anfordern: Wie oft liegt das Blatt in den Akten? Welche ablehnenden Bescheide beziehen sich erkennbar exakt auf diese Argumentationslinie? Welche entlastenden Unterlagen wurden nicht beigezogen?
Unser Fazit
Wenn sich bestätigt, dass dieser „grüne Zettel“ generell als Weisungssignal gegen Geschädigte dient, dann verabschiedet sich die Verwaltungspraxis von der Verfassungsbindung – leise in der Form, laut in der Wirkung. Wir hoffen, dass wir uns irren. Die Probe aufs Exempel ist einfach: vollständige Transparenz, Einzelfallprüfung ohne Schablone, beidseitige wissenschaftliche und rechtliche Würdigung in jeder Akte. Bedauerlicherweise sprechen die Zahlen für ein solches Weisungsgebaren in allen Bundesländern, da über 90 Prozent der Geschädigten mit immer den gleichen Schadensbildern und mit immer den gleichen verabreichten Chargen (Top 20 der PEI Liste)
EX8679 10579
FD7958 9760
FC3095 9388
EX3510 8866
FE6975 7820
EW8904 7817
ER9480 7801
ET3045 7251
FD9234 7170
EX3599 6765
EX8680 5826
EM0477 4864
FC1440 4754
FF0900 4474
EX7823 4450
FE7011 4270
1F1024A 4181
FA5833 4164
ER7812 4090
1F1023A 4036
die Versorgungsämter mit Anträgen überhäufen. Inzwischen sollte auch dort die Uniformität der Ereignisse und vor allem die Schadensträchtigkeit weniger Chargen eklatant ins Auge springen. Dort wo Eingänge aber nicht geclustert nach Chargennummern bearbeitet werden, kann sich natürlich auch kein einheitliches klares Bild zur Wahrscheinlichkeit der Verursachung etablieren. Wenn dann auch noch jedesmal möglichst extrem Fachfremde zu Sachverständigen bestellt werden, wie Kinderärzte oder Psychiater für eine immunologische Problematik, dann manifestiert sich das Ergebnis immer weiter, da ein Gutachter nur dann wieder genommen wird, wenn der Sachverständige die wunschgemäßen Ergebnisse liefert. Je fachferner desto besser ist mein derzeitiges Beobachtungsergebnis. Der grüne Zettel entspricht nicht den Anforderungen des Bundessozialgerichts an die Darlegung der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft. Der Grüne Zettel ist in weiten Teilen inhaltlich grob falsch und gibt das Gegenteil des aktuell belegten wissenschaftlichen Diskurses an.
Vielleicht sollte deutlich mehr Akteneinsicht genommen werden, um so etwas in der Akte zu finden.
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OCR zu den drei Bildern aus https://x.com/AnwaltUlbrich/status/1987981572637938123
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Niedersächsisches Landesamt für Soziales, Jugend und Familie
Eine „Post-Vac“-Symptomatik ist gegenwärtig nach aktuellem Wissenstand nicht als Impffolge anzuerkennen. Der Begriff „Post-Vac“ stellt keine definierte Bezeichnung einer Erkrankung dar, sondern beschreibt das Auftreten eines Symptomkomplexes, welcher in seltenen Fällen nach Impfungen gegen das Corona-Virus beobachtet wird. Die wissenschaftliche Evidenz ist aber zum aktuellen Zeitpunkt nicht ausreichend um einen kausalen Zusammenhang zu einer vorher erfolgten Impfung zu belegen. Das „Post-Vac-Syndrom“ ist somit nach aktuellem Wissensstand keine Diagnose, die einen kausalen Zusammenhang zu den vorher erfolgten Impfungen begründen kann. Hierzu wurde untenstehend als Anhang eine Stellungnahme des Paul Ehrlich-Instituts (Bulletin zur Arzneimittelsicherheit, März 2025, Sachstand vom 31.12.2024) beigefügt.
Bis einschließlich September 2024 gibt es keinen wissenschaftlichen, statistisch abgesicherten Nachweis dafür, dass eine COVID-19-lmpfung eine Long COVID-Symptomatik auslösen kann. Ein internationaler Zusammenschluss von insgesamt 38 medizinischen Zulassungsbehörden, die International Coalition of Medicines Regulatory Authorities (ICMRA), zu der auch die EMA, das Paul-Ehrlich-Institut und die amerikanische Aufsichtsbehörde Food and Drug Administration (FDA) gehören, hat am 05.07.2023 festgestellt, dass auch nach Verabreichung von weltweit mehr als 13 Milliarden COVID-19-lmpfungen und permanentem Sicherheits-Monitoring durch die Zulassungsbehörden kein Hinweis dafür existiert, dass Long COVID-artige Beschwerden durch eine COVID-19-lmpfung ausgelöst werden können (9). Auch das internationale Konsortium „Global Vaccine Data Network”, in dem Wissenschaftler aus aller Welt unter Leitung der Universität Auckland (Neuseeland) gezielt Nebenwirkungen von Impfungen untersuchen, hat am 07.08.2023 festgehalten, dass es keine wissenschaftliche Evidenz dafür gebe, dass COVID-19-lmpfungen ein Post-VAC-Syndrom verursachen könnten (10). Sehr viel wahrscheinlicher sei, dass das nach einer Impfung aufgetretene Chronic fatigue-Syndrom durch eine SARS-CoV-2-lnfektion verursacht worden sei, da fast die ganze Weltbevölkerung mit SARS-CoV-2 infiziert worden sei. Alternativ könnte auch eine Infektion mit einem anderen Virus oder einem Bakterium oder Stress bzw. ein anderer, das Immunsystem beeinträchtigender Faktor das Fatigue-Syndrom verursacht haben.
1. Natelson. Myalgie encephalomyelitis/Chronic fatigue syndrome and fibromyalgia: Definitions, similarities, and differences. Clin Ther. 2019;41(4):612-618.
2. Johnston et al.. The prevalence of chronic fatigue syndrome/ myalgic encephalomyelitis: a meta-analysis. Clin Epidemiol. 2013;5:105-10.
3. Natelson. Update on the clinical evaluation and care of patients with myalgic encephaloyelitis/ chronic fatigue syndrome. Supplem Family Pract News 2022; 1-8.
4. Täte et al.. Towards a better understanding of the complexities of myalgic encephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome and Long COVID. Int J Mol Sei. 2023;24(6):5124
5. Nepotchatykh et al.. Circulating microRNA expression signatures accurately discriminate myalgic
encephalomyelitis from fibromyalgia and comorbid conditions. Sei Rep. 2023;13(1):1896.
6. Ludwig et al. Myalgische Enzephalomyelitis/ chronisches Fatigue-Syndrom: Eine Übersicht zur aktuellen Evidenz. Nervenarzt 2023;8:1-9.
7. Weltgesundheitsorganisation (WHO). Internationales Diagnoseverzeichnis, 11. Revision (ICD-11), gültig seit 01.01.2022
8. Rollnik. Das chronische Müdigkeitssyndrom - ein kritischer Diskurs. Fortschr Neurol Psychiatr 2017;85:79-85.
9. Nijs et al.. Central sensitisation in chronic pain conditions: tatest discoveries and their potential for precision medicine. Lancet Rheumatol. 2021;3(5):e383-e392.
10. Institute of Medicine. Beyond Myalgic Encephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome: Redefining an lllness. Washington, DC: The National Academies Press 2015.
Die bisherige Rechtsprechung bestätigt ebenfalls, dass kein Anspruch auf Entschädigung als Impfschadensfall im Falle eines chronischen Erschöpfungssyndroms (ME/CFS) - auch sog. „Post-Vac-Syndrom“ benannt, besteht (Urteil vom 11. April 2024; Az. S 32 VE 10/23, 32. Kammer des Sozialgerichts Cottbus, Urteil vom 23.10.2024 S48 VJn31/23 Sozialgericht München).
Es wird darauf verwiesen, dass eine erneute Antragstellung zu einem späteren Zeitpunkt im Rahmen eines Neufeststellungsverfahrens bei Vorliegen neuer medizinischer Erkenntnisse zum Auftreten eines Post-Vac-Syndroms / Erschöpfungssyndroms möglich ist.
Paul Ehrlich-Institut Auszug aus Bulletin zur Arzneimittelsicherheit, März 2025, Sachstand vom 31.12.2024:
Vom 27.12.2020 bis zum 31.12.2024 wurden mehr als 197.033.944 Impfungen zum Schutz vor COVID-19 durchgeführt. Eine genaue Anzahl der verimpften Dosen bis zum Stichtag der Auswertung liegt dem Paul-Ehrlich-Institut nicht vor, da das Digitale Impfmonitoring (DI M ) des Robert Koch-Instituts (RKI) für die COVID-19-lmpfstoffe nur bis zum 08.07.2024 erfolgte. Dem Paul-Ehrlich-Institut wurden im selben Zeitraum 350.868 Verdachtsfälle von Nebenwirkungen gemeldet. Von ihnen wurden 63.909 (18,2%) entsprechend der Kriterien im Deutschen Arzneimittelgesetz (§4 [13] AMG) als schwerwiegend definiert. Die Melderate von Verdachtsfällen einer Nebenwirkung betrug für alle COVID-19-Impfstoffe zusammen 1,78 Meldungen pro 1.000 Impfdosen, für Verdachtsfälle mit schwerwiegenden Nebenwirkungen 0,32 Meldungen pro 1.000 Impfdosen. Eine Auswertung zu Meldungen von chronischem Müdigkeitssyndrom und Long-COVID-ähnlichen Beschwerden nach Impfung mit COVID-19-lmpfstoffen ans Paul-Ehrlich-Institut und ein Vergleich mit internationalen Meldungen in der Nebenwirkungsdatenbank bei der Europäischen Arzneimittelagentur hat bis zum Datum dieser Auswertung kein Risikosignal ergeben. Seit dem letzten Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts mit Stichtag vom 31.03.2023 wurden keine neuen Risikosignale in der Anwendung der COVID-19-lmpfstoffe identifiziert.
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