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Erfahrungen in den Unterkünften (I)

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Juergen @noah1245 · Dec 11, 2020

Gestern, am Internationalen Tag der Menschenrechte, habe ich bei der Kundgebung für abschließbare Zimmer für alle Obdachlosen, auf dem Alter Markt in Köln eine kurze Rede gehalten. Dabei bin ich gebeten worden auch paar Sätze zu eigenen Erfahrungen mit den Unterkünften der örtlichen Hilfesystem zu sagen. Ich will dies hier, an dieser Stelle, schrittweise in verschiedenen Etappen tun. Anfangen will ich mit der Ankunft.

 

Vorab dazu, meine eigene und persönliche Meinung. Niedrigschwellig, wovon die Verwaltung der Stadt Köln und die Freien Träger der Unterkünfte gerne und oft sprechen, sieht anders aus.

 

Notschlafstellen

Hinweise darauf bekommt man in der Regel von Sozialarbeiter*innen in den Einrichtungen der Obdachlosenhilfe, von der Wohnungslosenseelsorge, von anderen Obdachlosen, oder von ehrenamtlichen Helfer*innen in den verschiedenen Gruppen die sich um Bedürftige und Obdachlose bemühen. Mag sein dass sich die Aufnahmeformalitäten geändert haben. Wo ich nach Köln gekommen bin war es so, dass man keine Chance hatte aufgenommen zu werden, wenn man nicht ohne festen Wohnsitz gemeldet war. Bei der, wo ich zwei mal geschlafen hatte, war es so dass, wenn man zu einer bestimmten Uhrzeit dort war, es ein kurzes Aufnahmegespräch mit einem Sozialarbeiter gab. Kam man nach der Notaufnahme, also spät Abends oder Nachts vorbei, und es gab noch ein Bett, wurde man vom Pförtner aufgenommen.

 

Die Regel ist, auch bei einem Wohnheim eines anderen Trägers, dass man maximal fünf Nächte pro Monat in den Notschlafstellen übernachten kann. Dann muss man sehen wo man bleibt. Im Stadtbezirk Porz gibt es eine Notschlafstelle, wo man lediglich bis zum nächsten Tag übernachten kann, wo die Fachstelle Wohnen der Stadt Publikumsverkehr hat. Man müsste also dann dort vorbei, und sich eine Unterkunft zuweisen lassen.

 

Ansonsten ist das Prozedere überall das gleiche. Morgens wird man geweckt, muss wieder raus, um Abends wieder auf der Matte zu stehen, und das ganze Spiel von vorne. Bei dem Wohnheim, wo ich in der Notschlafstelle übernachtet habe, ist es so dass die Sozialarbeiter, wenn man dort mehrfach vorbeikommt, nach Perspektiven fragen. Abhängig von den Gründen warum man in der Situation ist, in der man ist, bekommt man angeboten dort (im Wohnheim) aufgenommen zu werden, oder den Hinweis dass man zur Fachstelle Wohnen muss, um sich eine andere Unterkunft zuweisen zu lassen.

 

Betreutes Wohnen (BeWo), Wohnheim

In der Regel erfolgt die Ankunft über die Notschlafstellen. Oder indem man sich selbst bemüht. Zwar ist auch dies möglich, jedoch selten, dass eine Zuweisung direkt über die Fachstelle Wohnen erfolgt. In beiden Fällen gibt es Aufnahmegespräche, weil irgendwer ja die Kosten zahlt. In Köln sind dies für gewöhnlich der Landschaftsverband Rheinland (LVR) oder die Stadt Köln. Hat man Glück, und es ist ein Schlafplatz frei, wird man aufgenommen. Eine Garantie ist das nicht (darauf gehe ich später noch mal ein).

 

Es gibt aber auch ein Wohnheim in Gremberghoven, das der Stadt gehört, jedoch von einem Freien Träger der Wohlfahrtspflege betreut wird. Dort erfolgt die Aufnahme ausschließlich über die Zuweisung durch die Fachstelle Wohnen.

 

Hotels (gewerbliche OBG-Betriebe)

Hier ist eine Zuweisung nur über die Fachstelle Wohnen möglich. Wenn man eine bekommt, fährt man zum Hotel, bekommt seine Schlüssel, und macht den Papierkram für die Aufnahme.

 

Garantie, Sicherheit, Verweildauer

Wenn man im BeWo oder einem Wohnheim aufgenommen wird, ist dies zunächst keine Garantie. Gewissheit hat man erst dann, wenn die Kostenträger die Übernahme der Betreuungskosten zugesagt haben. So lange muss man bangen, den Schlafplatz wieder zu verlieren. Wenn man  nicht aus Köln kommt, fragt der Träger zunächst bei der Gemeinde oder Stadt an, wo man herkommt. Wenn diese nicht die Betreuungskosten übernehmen, wird beim LVR beziehungsweise der Stadt Köln angefragt. Wenn auch diese die Betreuungskosten nicht übernehmen, hat man ein Problem. Man muss entweder sein Glück in einer anderen Stadt suchen, oder in Köln bleiben, allerdings sehen wie man über die Runden kommt.

 

Theoretisch, und dies schneller als man denkt, kann einem (unabhängig davon ob BeWo, Wohnheim, oder Hotel) der Rauswurf drohen. Weil man dadurch, dass man eine Nutzungsvereinbarung unterschreibt, und keinen Mietvertrag, weniger Rechte hat, und eben schneller rausgeworfen werden kann. Wobei sich meines Wissens, wenn ich nicht falsch liege, die Gesetzeslage mittlerweilen so geändert hat, dass das nicht mehr so einfach geht.

 

Etwas kompliziert wird es bei der Verweildauer, weil es hier keine einheitlichen Regelungen gibt. Zu den Notschlafstellen habe ich ja bereits am Anfang was gesagt.

 

Das Männerwohnheim in Gremberghoven ist das einzig mir bekannte, wo man maximal ein Jahr bleiben kann. Ausgenommen man kann einen Mietvertrag vorlegen, dann bekommt man so lange verlängert, bis man in die eigene Wohnung einziehen kann. Gespräche zu einem Hilfeplan gibt es hier nicht.

 

Die Regel ist, im BeWo und in Wohnheimen, dass es alle sechs Monate Gespräche zu einem Hilfeplan gibt. Quasi eine Echtzeitanalyse, welche Fortschritte man beim erreichen seiner Ziele gemacht hat. Das heißt, theoretisch jedes halbe Jahr Ungewissheit, weil sowohl die Träger der Unterkünfte, als auch die Kostenträger entscheiden können den Hilfeplan nicht zu verlängern. In den Wohnheimen ist die Verweildauer auf maximal zwei Jahre begrenzt. Im Betreuten Wohnen (BeWo) theoretisch unbegrenzt.

 

Bei den "Hotels", verglichen mit dem ganzen Prozedere was es bei den Notschlafstellen, Wohnheimen oder dem BeWo gibt, ist es vergleichsweise unkompliziert, unbürokratisch. Man bekommt eine Zuweisung durch die Fachstelle Wohnen. Mit der Zuweisung bekommt man den Termin mitgeteilt wann man zur Verlängerung vorbei muss (normal alle zwei Monate). Man geht zum Termin, unterschreibt, und kommt nach zwei Monaten wieder.

 

Was man meiner Meinung nach ändern müsste?

Erstens, unabhängig davon was im Perso steht, sollte es genügen wenn die Menschen glaubhaft machen, dass sie obdachlos sind. Zweitens, einmal aufgenommen, sollten sie so lange bleiben könnten bis sei eine eigene Wohnung haben.

 

Vorschau

Nächstes mal werde ich was dazu schreiben, wie es mit den Möglichkeiten der Selbstversorgung in den Unterkünften aussieht, und dem Umgang der Träger und der Sozialarbeiter mit den Bewohnern.

 

Experte in eigener Sache

11/12/2020