[DIREKT NACH MATCH 2]
Claude Booker: "Wow, das nenne ich einmal einen Vorgeschmack auf unsere größte Show des Jahres - Title Night, sechzehn Tage weit entfernt, aus der Barclays Arena in Hamburg! Tickets verfügbar unter www.gfcw.de, und ich VERSICHERE euch, meine hochgeschätzte GFCW-Galaxie, dass es ein unvergessliches Erlebnis wird. Und ich bin hier... um noch etwas anzukündigen."
Wir befinden uns backstage. Unser geschätzter GFCW-Präsident steht vor der allseits bekannten Interview-Wand, heute neben den Logos einiger großer und wichtiger Sponsoren zugekleistert mit Werbung für die große Show zum Jahresabschluss - Bilder von Ask Skógur, Aiden Rotari, The End und Drake Nova Vaughn zieren den Hintergrund, dazwischen das Logo der Show.
Endspurt ist angesagt. Und unser Ligenleiter - adrett gekleidet, ein schelmisches Leuchten in den Augen, die Krawatte in rot und gold - scheint noch ein wenig Würze für den Knaller zum Jahresabschluss mitgebracht zu haben.
Claude Booker: "Es gibt einen jungen Herren, der nach der letzten Show zu mir kam. Einen Wrestler, der in einem Dilemma feststeckt, und der mit mir... eine Lösung für sein Problem gesucht hat.
Die Rede ist selbstverständlich von Mike Müller."
Ein beinahe väterliches Lächeln erscheint auf dem Gesicht von Dynamite, als er diesen Namen ausspricht.
Claude Booker: "Die Situation ist Folgende: Mike hat keinen normal-gültigen GFCW-Vertrag. Den hatte er einmal, bevor er sich selbst ins Aus manövriert hat."
Die Älteren werden sich erinnern können - Mike's Involvierung mit Kriss Dalmi, DJ Freundlicher Orang-Utan und der Zerstörung des Lerbitz'schen Domizils kostete ihn einst seinen Spot im Roster.
Claude Booker: "Ich habe nichts gegen Mike. Wirklich nicht. Aber Plätze in der GFCW sind rar gesät. Seht nur, wie hart unser Förderkader darum kämpft, bei War Evening aufzutreten. Also habe ich damals seinen Vertrag nicht verlängert, als er auslief. Das hielt ich damals für so gerechtfertigt wie auch heute.
Allerdings glaube ich an zweite Chancen. Und als eine rennomierte Marketing-Agentur an mich heran trat und mir anbot, dafür zu zahlen, dass Mike Müller einen neuen Anlauf in der GFCW bekommt, weil sie an ihn glauben... nun, ich bin eben auch Geschäftsmann. Wie soll ich rechtfertigen, ein solches Angebot abzulehnen?
Also kehrte Mike zurück, wie ihr alle wisst. Erst als "The Mirror", dann als... "The Great Pigster"."
Dynamite spricht das diesen Namen betont höflich und neutral aus. Ihm ist klar, dass das wrestlende Meme-Schwein durchaus seine Anhänger hat, aber er selbst scheint kein Anhänger dieser Verkleidung zu sein.
Claude Booker: "Es war das gute Recht von Entrepreunerin Lerbitz und ihren beiden Mitarbeitern, Mike auf jede mögliche Art und Weise zu präsentieren, die nicht gegen die Grundsätze der GFCW verstößt - solange sie zahlen. Solange sie dafür zahlen, dass Mike Müller in den Shows auftreten darf.
Ich kann hiermit offiziell verkünden, dass Mike Müller heute Abend nicht hier ist, da die Zahlungen von Seiten Entrepreneurin Lerbitz eingestellt wurden."
Das klingt erst einmal überhaupt nicht gut für Mike, aber Dynamite spricht nicht etwa mit belegter Stimme, sondern wirkt noch immer guter Dinge. Er ist seit mehr als zwanzig Jahren im Wrestling-Business - natürlich hat er einen Hang für's Dramatische.
Claude Booker: "Ich habe mit Mike gesprochen. Ich bin absolut willens, ihn weiterhin in den Shows auftreten zu lassen, solange er jemanden findet, der die gleiche Summe bezahlt, die für ihn zuvor bezahlt wurde. Dieses Angebot steht nach wie vor.
Allerdings, nach mehrtägiger Suche, hat Mike mir leider mitgeteilt, dass sich kein solcher Sponsor gefunden hat."
Hier verzieht Dynamite doch tatsächlich ein wenig das Gesicht - vielleicht allerdings auch bloß ob der nun in der Kasse fehlenden, mit Sicherheit beträchtlichen Summe.
Claude Booker: "Dennoch... wie ich schon sagte... glaube ich an zweite Chancen. Vielleicht sogar an dritte Chancen. Mike hat bewiesen, dass er in der GFCW mithalten kann. Er hat einige Siege eingefahren - aber eben auch einiges an Pleiten. Seine Siege waren teils fragwürdig. Er hat sich ohne Zweifel gesteigert, doch ihm auf Basis dieses Potenzials und einem großen "Vielleicht" einen tatsächlichen GFCW-Vertrag zu geben, hätte sich falsch angefühlt. Es wäre beinahe so etwas wie eine Ohrfeige für jene, die unter Mirkan Uysal hier gerade ihre Karrieren beginnen. Nein, so sehr ich ihn auch mag, ich konnte mich nicht dazu durchringen, nicht im Namen von Leistungsprinzip und Fairness.
Ich konnte mich allerdings zu etwas anderem durchringen."
Und nun breitet sich ein Lächeln auf dem Gesicht des Präsidenten aus, das seine Krähenfüße auf eine sympathische Art und Weise hervortreten lässt.
Claude Booker: "Einer Chance, sich einen Platz im Roster zu verdienen."
Offenbar zufrieden damit nickt Dynamite bestätigend in Richtung Kamera.
Claude Booker: "Ich habe ihm gesagt, er soll zu Hause bleiben und trainieren, sich vorbereiten, sich fit halten und den besten Mike Müller - nicht "The Mirror", nicht "The Great Pigster" - den besten MIKE MÜLLER nach Hamburg bringen, den es gibt. Ganz recht: Ich weiß, was die GFCW-Galaxie liebt. Cinderella-Stories. Comebacks. Leute, die bekommen, was sie verdienen - auf die eine oder andere Art.
Mike Müller wird sein Title Night Debüt geben, und sollte er sein Match gewinnen, bekommt er einen offiziellen Einjahres-Vertrag mit der GFCW, und kann dann ganz frei und ohne Fesseln zeigen, was er drauf hat. Aber ich brauche diesen Beweis seines Willens und seines Könnens, um diesen Vertrag zu rechtfertigen. Am Ende des Tages ist das hier ein Business, in dem Entertainment und Sympathie wichtige Werte sein können, aber es kommt am Ende eben doch hauptsächlich auf etwas anderes an."
Lorenz: "Search Engine Optimization, Linear Eyeballs und Engagement Numbers."
Mit unterkühlter Höflichkeit dreht Booker sich herum, während die Kamera herauszoomt.
Claude Booker: "Ich war gerade dabei, zu dir zu kommen."
Lorenz: "Verzeihung, Sir. Ich muss fälschlicherweise angenommen haben, Sie würden noch mehrere Minuten mit Lobhudelei für einen unterklassigen Athleten verschwenden, bevor Sie endlich den wichtigen Teil ankündigen. Ich lag ganz offensichtlich daneben, nicht?"
Mit gespielter Unschuld und kaum verhohlenem Spott senkt Lorenz ironisch-unterwürfig den Kopf. Dynamite kräuselt die Nase.
Claude Booker: "Ich nehme an, du meinst Mike's Gegner."
Lorenz: "Ganz genau. Schließlich ist in Ihrem ganzen Kumbaya auch noch eine abstruse "Er muss die Dämonen seiner Vergangenheit" bezwingen-Geschichte verpackt, nicht wahr, Sir? Ein wenig abgeschmackt, aber die GFCW ist noch nie gerne mit der Zeit gegangen, schätze ich. Haben Sie "Deadpool & Wolverine" überhaupt gesehen? Haben Sie eine Ahnung, wer Sabrina Carpenter ist? Haben Sie je darüber nachgedacht, was Sie von Ali Hazelwood lernen können?"
Dynamite öffnet den Mund für eine sicherlich schnippische, wenn auch professionelle Antwort, aber Lorenz redet einfach weiter, als wäre es völlig selbstverständlich.
Lorenz: "Herr Lunenkind wird Mike ohne große Probleme besiegen und damit den Teil von The Great Pigster eliminieren, der uns zurückgehalten hat."
Claude Booker: "...großartige, dramatische Ankündigung. Ja, der Gegner von Mike Müller wird Maximilian Lunenkind sein."
Der Show-Runner dreht den Kopf in Richtung der Kamera und spricht direkt zu den Fans.
Claude Booker: "Eine streitbare Gestalt, aber auch ein Vetertan, ein ehemaliger GFCW Tag Team Champion und ohne Zweifel eine gute Geschichte."
Lorenz: "Und außerdem eine Chance für uns, der GFCW-Galaxie die Frage zu stellen, deren Antwort Mike nicht hören wollen wird: Mögen Sie das Schwein oder den Mann? Den Pigster oder Mike?"
Claude Booker: "Mike wird wohl kaum als Pigster auftreten, wenn er die Wahl hat."
Lorenz: "Korrekt. Weil er ein Idiot ist."
Ein wahrlich widerwärtiges müdes und unerträglich süffisantes Schmunzeln schleicht sich auf die Lippen des Marketing-Experten.
Lorenz: "Nicht aus dem korrekten Grund, nämlich dass wir die IP besitzen und ihn in Grund und Boden verklagen würden, wenn er es probiert. Der Pigster hat Mike Müllern nicht zurück gehalten. Mit seinem ständigen Widerstand und seinem Gejammer und seinem Unverständnis... wenn überhaupt hat Mike den Pigster zurück gehalten. So gesehen ist es beinahe ein Geschenk, dass wir ihn losgeworden sind. Denn steckt jemand hinter der Maske, der das Schwein nicht nur spielen wird.
Er wird das Schwein sein."
Die Augenbrauen von Dynamite schießen in die Höhe.
Claude Booker: "Soll das heißen..."
Lorenz: "Ganz Recht."
Leicht den Kopf schief legend kichert Lorenz leise vor sich hin, über einen Witz, den nur er selbst zu verstehen scheint.
Lorenz: "Der Pigster ist nicht erledigt. Er wurde ge-upgradet. Bei Title Night wird Mike Müller nicht bloß Maximilian Lunenkind gegenüberstehen. Er wird es mit der verbesserten und optimierten Version von dem zu tun bekommen, was er hätte sein dürfen, wäre er nicht so kurzsichtig und unrealistisch. Wir haben alles überarbeitet. Wir haben die Fokusgruppe schuften lassen wie Felix Magath. Wir haben alle Algorithmen die man sich vorstellen kann begutachtet und auch ein paar, die sich solche Cretins wie Mike gar nicht erst vorstellen können. Deshalb sind wir sehr dankbar für die große Bühne, die Sie uns unter dem Deckmantel einer hoffnungslosen Mike Müller-Rehabilitations-Aktion zugeschustert haben, Sir."
Der Blick von Dynamite verrät, dass er sich just in diesem Moment fragt, ob er damit einen Fehler begangen hat.
Lorenz: "Bei Title Night präsentieren wir der Welt den Wrestler, der die GFCW schon bald im Schweinsgalopp erobern wird: Maximilian Lunenkind als The Greatest Pigster."