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Keeks World Tour #2

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Auburn Bay Beach, Calgary

Unter einem rotgetünchten Himmel neigt sich der 17. Juli seinem Ende zu. Fast schon ist die Sonne am Horizont untergetaucht, ein paar letzte Strahlen über dem scheinbar endlosen Wasser sind ihr Abschiedsgruß. Auch vor der lauernden Nacht und in der Dunkelheit ist es noch warm; der Mann am Strand trägt ein kurzärmliges Shirt und ist barfuß. Wellen rollen unter seinen Zehen sanft ans Ufer. Sein Atem synchronisiert sich mit dem Takt, den die Fluten vorgeben. Er nimmt einen Stein auf und wirft ihn aufs blaue Tuch vor. Ein, zwei, drei Sprünge gibt es, dann taucht der Stein in den Fluss, um in den ewigen Kreislauf einzutauchen und in Jahren oder Jahrzehnten an anderer Stelle wieder hinausgespült zu werden.

 

„Keek!“

 

Die Stimme durchschneidet die anbrechende Nacht. Es ist kein besonders lautes Rufen, doch fehlt in dieser Situation jedwede Konkurrenz: kein Vogelschrei, kein Dröhnen eines Schiffes, kein Stimmengewirr anderer Menschen. Nur das gerufene „Keek“. Sein Name.

 

Keek Hathaway: „Ich bin hier.“

 

Er dreht sich um und späht nach dem Rufenden. Das Restlicht gestattet ihm nur wenig Sicht, aber es langt, um einen Umriss auszumachen, der als breitschultriger Schatten rasch von der Promenade, die am Tage von Touristen überlaufen war und nun völlig leer daliegt, her auf ihn zumarschiert. Wie Spiegelbilder heben sie beide, Keek und der Unbekannte, ihre Hand als Zeichen des Erkennens zum Gruße.

 

Keek Hathaway: „Ich bin überrascht.“

 

Der Schatten bleibt stehen. Atmet plötzlich rasch.

 

„Überrascht? Dass ich noch lebe? Du dachtest, ich wäre BEREITS TOT, richtig?“

 

Mit unaufhörlichem Plappern tritt der Neuankömmling auf Hathaway zu und raubt diesem die Zen-Entspannung, die der Abend am Strand ihm geschenkt hatte.

 

„Das nehme ich dir nicht übel. Ich meine, es kann JEDERZEIT VORBEI SEIN. Aber das Schicksal hat mir noch einen Tag geschenkt. Ich lebe noch. Ich atme. Ich bin…“

 

Der Schatten, dessen Identität nun kein wohlbehütetes Geheimnis mehr sein kann, greift sich an die Stirn und atmet erleichtert aus.

 

„…noch warm. Ein lebender Mensch. Das überrascht dich, was?“

 

Hathaway seufzt. Schüttelt mit dem Kopf. Mit beiläufiger Geste macht er dem Umriss klar, dass er zu ihm treten soll. Alsbald stehen sie nebeneinander und blicken aufs Wasser. Hathaway legt dem Mann nach Sekunden der Stille eine Hand auf die Schulter.

 

Keek Hathaway: „Ich bin nicht überrascht, dass du noch lebst, Mann. Ich bin überrascht, dass du überhaupt noch kommst. Wir hatten uns vor dreißig Minuten verabredet, Rosford.“

 

Williams, Flip Trip originaler Air Rossy, reißt die Augen auf und blickt auf sein Handgelenk, wo keine Uhr ist.

 

Rosford Williams: „Tut mir leid, Keek. Mann, Mann, Mann, Mann, Mann, so unzuverlässig sollte ich nicht sein. Aber ich musste vorsichtig sein, konnte nicht überhastet kommen. Schließlich lauern überall Gefahren und es kann von einem Moment auf anderen VORBEI MIT MIR SEIN, okay?“

 

Er fährt sich mit dem Finger die Kehle entlang und macht ein gurgelndes Geräusch.

 

Rosford Williams: „Da gehe ich lieber auf Nummer sicher. Ich muss vorher noch Royal Rookie werden, bevor ich unter die Erde komme. Meine Marke hinterlassen, okay? Deswegen habe ich mir Zeit gelassen. Aber tut mir leid, dass ich zu spät…“

 

„Bin“ fehlt noch. Doch Hathaway schneidet dem Youngster das Wort ab, indem er mit ernster Geste den Blick seines Gesprächspartners sucht. Der verstummt unter der Intensität, mit der er angestarrt wird.

 

Keek Hathaway: „Schon gut. Es gibt schlimmere Orte, um zu warten. Schicker Strand hier in deiner Heimatstadt. Ich bin nicht sauer. Aber mal ehrlich…“

 

Der Champion verstummt und angelt in seinem Inneren nach passenden Ausdrücken, mit denen er sein Anliegen vorbringen kann.

 

Keek Hathaway: „…dieser Trip, den du grad fährst. Muss ich mir Sorgen machen?“

 

Rosford Williams: „Trip? Was für ein TRIP denn? Worauf willst du hinaus? Ich schwöre dir, ich habe noch nie ein Kokain getrunken, ich habe MIT TRIPS NICHTS AM HUT!“

 

Keeks hebt seine Hände energisch.

 

Keek Hathaway: „Das meine ich nicht, Rossy. Dieser Gedankentrip. Diese Schiene von wegen, dass es immer vorbei sein kann. Dieses Morbide. Das ist ein…ungewöhnliches Mindset. Das hattest du vor ein paar Wochen noch nicht. Deswegen frage ich, ob bei dir alles klar ist.“

 

Hastiges Nicken vom Flip Tripper.

 

Keek Hathaway: „Auch im Kopf?“

 

Noch schnelleres Nicken.

 

Keek Hathaway: „Okay, also muss ich mir keine Sorgen machen? Ich will nämlich nicht, dass du auf irgendeiner Sache…hängenbleibst.“

 

Rosford Williams: „Alles gut. Mann, Mann, Mann, Mann, du bist gut zu mir, Keek. Ein echter Freund. Aber du brauchst dir keine Sorgen machen. Bei mir ist alles gut. Ich fühle mich LEBENDIG. Zu wissen, dass es jederzeit vorbei sein kann, beflügelt mich und…“

 

Strafender Blick des Namibiers.

 

Rosford Williams: „Ähm, ich meine, es ist alles gut. Lass uns nicht drüber reden. Ich komme schon klar. So klar, dass es klar ist, dass ich klar eine Chance habe, der Royal Rookie zu werden und damit klar der beste Rookie im Game zu sein, klar?“

 

Der Champion blickt den Kanadier von oben bis unten an. Dann senkt er den prüfenden Blick mit Milde und starrt auf den Sand zu seinen Füßen. Langsames, unmerkliches Nicken.

 

Keek Hathaway: „Okay. Also lass uns anfangen.”

 

Rosford Williams: “Klar, LET’S GO! Ich bin so ready. Wir fangen an!“

 

Er lässt die Fäuste kreisen und fängt sich einen irritierten Ausdruck des drittlängsten GFCW Champions aller Zeiten ein.

 

Rosford Williams: „Womit eigentlich?“

 

Die Fäuste werden wieder gesenkt und Hilfe suchend legt sich die Aufmerksamkeit vom Air Rossy auf sein erfahrenes Gegenüber.

 

Keek Hathaway: „Ich habe dich herbestellt, weil du mir ins Gesicht treten sollst.“

 

Entgleiste Gesichtszüge bei Williams. Er neigt sich näher an Hathaway heran, um besser zu hören.

 

Rosford Williams: „Ich soll was?“

 

Keek Hathaway: „Tritt mir ins Gesicht, mein Junge.“

 

Der besorgte Blick, den Keek vor wenigen Augenblicken noch Rosford geschenkt hatte, ist nun gespiegelt: Williams wirkt irritiert und mitleidig zugleich, sucht in der Mimik Hathaways nach Anzeichen dafür, dass die wirre Aussage als Scherz entlarvt wird. Nichts dergleichen geschieht. Hathaway dreht sich nur in Richtung seines Gegenübers um und wartet darauf, dass geschieht, was geschehen soll.

 

Rosford Williams: „Alles okay bei dir?“

 

Keek Hathaway: „Tritt mir ins Gesicht. Los jetzt.“

 

Stumm und starr steht der Kanadier da und macht keinerlei Anstalten, die Aufforderung umzusetzen. Egal wie viel Autorität von einem Champion ausgehen mag oder wie sehr man einem Freund helfen will. Aber das…das geht zu weit.

 

Keek Hathaway: „Verstehst du nicht?“

 

Seufzen beim Namibier, dann entspannt er die Schultern und wechselt zurück vom Kampf- in den Erklärmodus. So gut es in der Dunkelheit geht, sucht er den Blick von Rosford.

 

Keek Hathaway: „Der Culture Shock.”

 

Als würde das alles erklären, macht Keek, nachdem er das ausgesprochen hat, eine lange Pause. Doch von Rosford kommt abermals nur Schweigen zurück und bei so viel Ignoranz oder Unwissen oder Dummheit schwillt nun etwas WUT im Championkörper an.

 

Keek Hathaway: „Schwanenburgs Big Boot. Weißt du, wie viele Matches er damit beendet hat? Ein schnöder Tritt ins Gesicht. Wenig kaiserlich, sondern roh und brutal und effektiv. Ich muss lernen, damit umzugehen, wenn er ihn durchbekommt. Deswegen tritt mir ins Gesicht. Zweimal oder dreimal.“

 

Er sucht einen festen Stand auf dem Strand und beugt sich vor, um es Rosford leichter zu machen.

 

Keek Hathaway: „Und dann müssen wir üben, wie ich ihn kontere. Also los jetzt, keine Scheu. Tritt mir ins Gesicht.“

 

Für einen Moment scheint es so, als wolle Rosford wieder nicht reagieren. Aber dann nickt der junge Mann unmerklich. Dann deutlicher und intensiver. Sein Körper verhärtet sich und er macht sich bereit.

 

Rosford Williams: „Okay, ich bin dabei. Als Royal Rookie darf ich keine falsche Scheu haben, richtig?“

 

Keek Hathaway: „Richtig.“

 

Der Kanadier tritt vier Schritte zurück, um genügend Distanz zwischen sich und Keek zu bringen. Abstand, den er für einen guten Anlauf nutzen kann. Kurz bevor er losläuft, schleicht noch einmal ein zögerlicher Ausdruck in sein Gesicht.

 

Rosford Williams: „Kannst du mir danach auch helfen?“

 

Ohne Bedenkzeit zuckt Hathaway die Schultern.

 

Keek Hathaway: „Klar. Wobei?“

 

Williams hebt die Hände und zeigt alle zehn Finger in die Luft. Dann schließt er die eine Hand zur Faust, bei der anderen lässt er drei Finger stehen. Seine Stimme wird zu einem ehrfürchtigen Flüstern. Sogar eine Prise Angst schwingt im Tonfall mit.

 

Rosford Williams: „Dreizehn.“

 

Keek Hathaway: „Dreizehn?“

 

Rosford Williams: „Ja. Dreizehn.“

 

Nervös zeichnen seine Füße ein Muster vor ihm in den Sand.

 

Rosford Williams: „Die Zahl der Rookies, die an der Battle Royal teilnehmen. Die Unglückszahl Dreizehn. Meinst du, dass es etwas bedeutet? Dreizehn. Vielleicht bedeutet es, DASS BALD ALLES VORBEI IST? Schließlich…SCHLIESSLICH KANN ES SO SCHNELL GEHEN. Ich weiß, ich soll nicht darüber reden. Aber können wir darüber sprechen? Über die Dreizehn. Wie viel Zeit mir noch bleibt und was es alles zu bedeuten hat und so?“

 

Dem Namibier liegt ein Wort auf den Lippen, dessen erste Silbe „Psy“ ist und das auf der dritten Silbe „Se“ endet. Aber er untersteht sich, diesen Konflikt anzustoßen und nickt einfach. Sollen sie doch alle ihren Willen bekommen. Hauptsache er kriegt seinen auch.

 

Keek Hathaway: „Okay. Nachdem du mir jetzt endlich ins Gesicht trittst. Gut?“

 

Williams läuft los, nimmt Tempo und Wucht mit. Sein Bein hebt sich und rast auf Hathaway zu. Und während die Wellen hier am Auburn Bay Beach noch immer sanft ans Ufer rollen, stürzt der Champion nach dem Big Boot zu Boden. Bleibt kurz liegen und lacht.

 

Keek Hathaway: „Nochmal.“