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Die Mentalität des Bürgerkriegs zieht herauf

Aus Gegnern werden Feind

Die Mentalität des Bürgerkriegs zieht herauf

Heidi Reichinnek und andere linke Politiker zeigen bereits die Mentalität des Bürgerkrieges. Reaktionen auf den Kirk-Mord zeigen: Andersdenkende sind für sie Feinde, die kein Mitgefühl verdienen. So erscheint Gewalt schließlich akzeptabel oder sogar notwendig.
 
VON FERDINAND KNAUSS am 17. September 2025 9 min

 

https://archive.ph/tCXbu - https://www.cicero.de/innenpolitik/burgerkrieg-reichinnek-kirk
Nicht ein einziger Satz des Mitleids mit dem ermordeten Charlie Kirk kam Heidi Reichinnek über die Lippen im Interview mit Caren Miosga. „Ich bin irritiert, dass dieser ultrarechte Nationalist an vielen Stellen so betrauert wird“, sagt sie mit angewidertem Gesichtsausdruck. Und: „Ich bin irritiert, dass die Junge Union einen Trauerpost schickt, wenn man überlegt, was das für eine Person ist.“ 
Ähnlich die verharmlosende Reaktion der Parteivorsitzenden Ines Schwerdtner gegenüber Welt-TV: Es sei „der falsche Weg, … politische Gewalt, auch wenn sie von Rechten kommt, mit solchen Attentaten zu beantworten“. Auch von ihr also eine dreiste Schuldumkehr und glatte Lüge: Kirk hat nie Gewalt ausgeübt.

 

Ein Vertreter der Linksjugend Hannover postete: „Mit einem gezielten Schuss in Kirk’s Hals, [Apostroph und Komma im Original] wurde das Ende seiner rechtsradikalen, menschenverachtenden und ausbeuterischen Politik besiegelt. International wird getrauert – doch das ist ein fataler Fehler.“ Reichinnek erklärt, dass der Post gelöscht wurde und von einem Minderjährigen stamme. Und geschickt erklärt sie diesen zum Opfer, da er von „Rechten“ angegangen werde und es Morddrohungen gebe. Und nochmals sagt sie, dass „das eine Gewalt ist, die auch von dem Rechtsextremismus in den USA befeuert wird“. Schließlich sagt Reichinnek noch, man sei sich doch „einig“, dass die Positionen, die Kirk vertreten hat, „absolut menschenverachtend“ seien. 

Verachtung gegen den vermeintlichen Menschenverächter

Miosga signalisiert ihr Befremden über Reichinneks Aussagen. Aber sie fragt nicht nach, was an Kirks Positionen menschenverachtend sein soll. Man kennt das. In den öffentlich-rechtlichen Sendern genügt es, ein Unterstützer von Donald Trump zu sein und Carl Schmitt zu lesen, um zum Nazi erklärt zu werden. ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen unterstellte Kirk bei Markus Lanz sogar, zur Steinigung von Homosexuellen aufgerufen zu haben.

 

Man kann solche Aussagen wie die von Reichinnek und zahlreichen ihrer Parteifreunde durchaus als allenfalls leicht gedrosselte Rechtfertigung oder jedenfalls verständnisvolle Hinnahme eines politischen Mordes interpretieren. Oder eben als „absolut menschenverachtend“: keine Trauer um ein Mordopfer, kein Wort des Mitleids mit den Hinterbliebenen, stattdessen Verdammung der politischen Positionen des Opfers, dem damit zumindest indirekt eine Mitschuld an seinem eigenen Tod unterstellt wird. Wäre er halt nicht „ultrarechts“, wäre er auch nicht gestorben. Mehr verachten kann man einen Menschen kaum.
Solche Erbarmungslosigkeit, solcher Fanatismus prägt die Mentalität von Antifa-Schlägern und ebenso natürlich von rechtsextremen Gewalttätern und islamistischen Terroristen. Für sie hat der Gegner seine Humanität verloren, da er ja ein Menschenfeind oder Feind Gottes ist. Also hat er auch kein moralisches Recht auf einen fairen Diskurs und eine Abstimmung über seine politischen Forderungen. Er soll daher nicht mehr Kontrahent in einer Debatte und Kandidat bei freien Wahlen sein, sondern ist ein (Menschen-)Feind, den es auszuschalten gilt. 
Auf der anderen Seite des Spektrums gibt es vergleichbare Verrohung. Dunja Hayali hat, nachdem sie Kirk in einer Moderation fürs ZDF-heute journal „rassistische, sexistische und menschenfeindliche Aussagen“ vorgeworfen hatte, offenbar zahlreiche Morddrohungen erhalten. 

 

In letzter Konsequenz wird daraus die Mentalität der Kämpfer in Bürgerkriegen und totalitären Regimen, für die der Bürgerkrieg gegen die inneren Feinde ohnehin nie wirklich aufhört, sondern in Folterkammern und Straflagern fortgeführt wird. Für Feinde in ideologischen Bürgerkriegen gibt es keine ritterliche Behandlung und Schonung nach dem Ende des Kampfes. Man darf und soll den Feind auch schlagen, wenn er schon auf dem Boden liegt. Die linksextreme Hammerbande hat das mit ihren Opfern in Budapest schon ganz konkret verwirklicht (dazu mehr im aktuellen Cicero-Heft). Schließlich steht der „Menschenfeind“ für das absolut Böse.
Ich habe bisher das häufige Reden und Schreiben über den drohenden „Bürgerkrieg“ für eine übertriebene Dramatisierung gehalten. Aber das ändert sich langsam. Zur Klarstellung: Ein offener Krieg wie der amerikanische Sezessionskrieg oder der Spanische Bürgerkrieg oder der im Film „Civil War“ imaginierte militärische Aufstand einzelner Bundesstaaten gegen die Regierung ist in den USA und anderen westlichen Staaten auf absehbare Zeit nicht zu erwarten. Kein Krieg mit gegeneinander antretenden Streitkräften und Schlachten und Fronten. 

Die Politik der unfriedlichen Mittel

Vielleicht sollte man nicht von einem Krieg sprechen, sondern zunächst von Unfrieden, von der Zunahme politisch motivierter Gewaltakte, von Einschüchterung, Psychoterror, Zerstörungen, Entführungen, Morden  – also vom Nieder- oder gar Untergang der wohl wunderbarsten Errungenschaft der westlichen Zivilisation, nämlich der freiheitlich-demokratischen Ordnung. „Ihr erster und oberster Grundsatz ist es gerade“, wie Joachim Fest einmal schrieb, „keinen Glaubenssatz und keine vorgeblichen Richtigkeiten zuzulassen, sondern um des höchsten Guts überhaupt, des inneren Friedens und der Freiheit des Denkens willen, aus der großen Sache der Wahrheit, in einem Akt ernüchternder Formalisierung eine Sache der bloßen Mehrheit zu machen.“ Bürgerkrieger glauben dagegen, im Besitz der Wahrheit zu sein.

 

David Armitage – Autor von „Bürgerkrieg. Vom Wesen innerstaatlicher Konflikte“ – sagte schon 2017: „Tatsächlich wirkt demokratische Politik heute immer mehr wie ein Bürgerkrieg mit anderen Mitteln, nicht nur in den USA. Die Menschen suchen nach einer Sprache, die die tiefe Spaltung erfasst, die verhärteten Fronten und die Unfähigkeit, die Gräben zu überwinden.“ Das ist acht Jahre später noch offensichtlicher geworden. 
Will man die martialische Vokabel zunächst weglassen, so bleibt jedenfalls die Feststellung: Der Kampf um politische Richtungsentscheidungen wird in den Staaten des alten Westens, jedenfalls in den USA, Frankreich, Großbritannien und Deutschland, zunehmend aus der Sphäre des öffentlichen Diskurses in andere, konfrontative Sphären verlagert. Die erste Verlagerung ist nicht unmittelbar gewaltsam, aber sie bedeutet ebenfalls eine Tendenz der Entdemokratisierung der politischen Entscheidungsprozesse: nämlich die Verlagerung von Entscheidungen in die Justiz. 

Justiz wird gegen politische Gegner eingesetzt

In den USA ist das schon seit Jahren zu beobachten, wenn beide politische Lager sich gegenseitig mit Prozessen überziehen. In Brasilien bringt nun ein mit Freunden des amtierenden Präsidenten besetztes Gericht dessen Amtsvorgänger hinter Gitter. In Frankreich wird Marine Le Pen vermutlich das passive Wahlrecht entzogen. In Deutschland werden Kritiker von Ministern – und seien sie auch nur Rentner, deren Facebook-Posts kaum eine Handvoll Menschen liest – mit den Mitteln des Strafrechts und von übereifrigen, offenkundig politisierten Staatsanwälten und Richtern zu Gesetzesbrechern erklärt und zu Geldstrafen verurteilt. Kandidaten der größten Oppositionspartei werden mit ebenfalls juristischen Mitteln von Wahlen ausgeschlossen. Schließlich soll diese Partei ganz verboten, also letztlich zu einer kriminellen Vereinigung erklärt werden.
Das würde bedeuten: Der bis dahin friedliche, diskursive und parlamentarische und immer nur für vorbestimmte Zeiträume, also Legislaturen, zu entscheidende Wettstreit um zentrale politische Entscheidungen wäre durch ein gerichtliches Verbot der AfD endgültig entschieden. Zumindest dem Anspruch nach. Deren zentrale politische Anliegen wären kriminalisiert. Und die Gewaltorgane des Staates, Polizei und Justizvollzug, müssten das durchsetzen. Angesichts der schieren Größe der Partei, ihrer Mitglieder und Wähler – in mehreren Bundesländern die relative und in einzelnen Kommunen sogar eine absolute Mehrheit der Bürger – hätte das völlig unkalkulierbare Folgen. 
Ein Staat, der die politischen Interessen eines derart großen Teils seiner eigenen Bürger kriminalisiert, de facto also die parlamentarische Demokratie aufkündigt, wird selbst in einer so tief pazifizierten, weil (immer noch) wohlhabenden und überalterten Gesellschaft wie der deutschen sicher extreme Frustration hervorrufen. Bürger, die von ihrem eigenen Staat zu Feinden erklärt werden, kündigen diesem die Treue auf. Gegenaktionen könnten die Grenze zur Gewalt bald überschreiten. Der Historiker Andreas Rödder warnt davor ganz offen: „Ein Verbotsverfahren, das zum Wegfall sämtlicher Stimmen für die AfD und somit flächendeckend zu rot-rot-grünen Parlamentsmehrheiten führt, wäre aber der sichere Weg in den Bürgerkrieg.“     
Dass deutsche Politiker von der Linken, aber auch von Grünen und SPD, sich dieser Gefahren für den inneren Frieden offenbar nicht bewusst sind, mag mit dem Fehlen entsprechender historischer Erfahrungen in Nachkriegsdeutschland zusammenhängen. Iren, die sich noch an die „Troubles“ und die IRA erinnern können, Kolumbianer, Algerier oder nicht zuletzt die vielen Hunderttausenden Syrer hierzulande könnten Reichinnek und Konsorten aus eigenem Erleben berichten: Bürgerkriege ziehen allmählich herauf, wenn Andersdenkende und -wollende sich gegenseitig zu Feinden erklärten, die irgendeinem absolut gesetzten höchsten Ziel – Karl Popper sprach ironisch vom „Himmel auf Erden“ – im Wege standen. 

Die Würde des Gegners wird nicht mehr anerkannt, weil er das absolut Böse verkörpert

Die Geschichte der genannten Länder zeigt, dass diese Bürgerkriege nicht auf einen Schlag explodierten, sondern in den Herzen und Köpfen und den Institutionen Mauern hochgezogen wurden, hinter denen aus Gegnern Feinde wurden. Dazu gehört die Entmenschlichung der Gegner, zum Beispiel als „Menschenfeind“, im Zweifel genügt auch die Kennzeichnung als „Faschist“. So wird Empathie abgebaut, denn: „Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.“ Die Würde des Gegners wird nicht mehr anerkannt, weil er das absolut Böse verkörpert. Deswegen wird Gewalt schließlich akzeptabel oder sogar notwendig.
Ausgerechnet Charlie Kirk war eben gerade keiner, der „politische Gewalt“ ausübte oder predigte und der Andersdenkende und -wollendezu Feinden erklärte und ausmerzen wollte. Linke und LGBTQ-Aktivisten waren für ihn Gegner, aber nicht würdelose Feinde. Er setzte sich zu ihnen auf den Campus oder in die Hörsäle und debattierte. Wer das tut, ist eben gerade dadurch kein Extremist oder gar Faschist – ganz unabhängig von seinen politischen Positionen, die fundamental-christlich und sehr konservativ, aber nicht im Entferntesten vom historischen Faschismus, geschweige denn Nationalsozialismus inspiriert waren. Kein Nazi und kein anderer Extremist würde jemals „Prove me wrong“ – „Beweise, dass ich falsch liege“ – zum Motto wählen.
Das, was Kirk tat, nämlich zu argumentieren und zu versuchen, andere von seinen Ansichten zu überzeugen, zumindest Verständnis dafü zu schaffen, also Brücken statt Brandmauern zu errichten – das ist, egal ob von rechts oder links, christlich-konservativ oder LGBTQ-aktivistisch motiviert, vermutlich der einzige Weg, die offenen Gesellschaften des Westens dauerhaft nicht nur frei, sondern auch friedlich zu erhalten.