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Flüchtlinge: Was schon geschafft ist – und was nicht

In Deutschland haben 35 Prozent der Geflüchteten einen Job, zwei von drei bekommen Hartz IV. Und Afghanen kommen kaum noch. Zahlen zur Integration seit 2015
25. Juni 2019, 15:28 Uhr
Flüchtlinge: Eine Familie aus Afhganistan, die heute in Tangerhütte in Sachsen-Anhalt lebt: Viele Geflüchtete sind schon gut integriert.
Eine Familie aus Afghanistan, die heute in Tangerhütte in Sachsen-Anhalt lebt: Viele Geflüchtete sind schon gut integriert. © dpa

Zwischen 2015 und 2018 kamen Hunderttausende Menschen aus ihren Heimatländern nach Deutschland. Bald war von einer Flüchtlingskrise die Rede, über die bis heute politisch gestritten wird. Wie ist die Lage heute? Wir zeigen die wichtigsten Daten zur Integration der Geflüchteten, die 2015 in die Bundesrepublik kamen.

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Wie viele Geflüchtete gibt es in Deutschland?

Ende 2018 lebten knapp 1,7 Millionen Schutzsuchende in Deutschland. 1,2 Millionen davon sind als Flüchtlinge anerkannt oder profitieren von einem Abschiebungsverbot.

1,2 Millionen Flüchtlinge leben in der Bundesrepublik.

180.000 Menschen sind nur geduldet, sollen das Land also eigentlich wieder verlassen. Und gut 300.000 Menschen warten noch auf eine endgültige Entscheidung über ihren Asylantrag durch Behörden oder Gerichte.

 

 

Wie alt sind die Geflüchteten und welches Geschlecht haben sie?

Unter den gut 1,2 Millionen Menschen, die zwischen 2015 bis 2018 einen Asylantrag gestellt haben, sind sehr viele junge Männer im Alter zwischen 18 und 29 Jahren, insgesamt 408.750.

408.750 Männer zwischen 18 und 29 Jahren

Aus Arbeitsmarktperspektive ist das eine gute Nachricht: Diese Menschen können noch viele Jahre arbeiten, bevor sie in Rente gehen.

Die zweitgrößte Gruppe sind Kinder im Alter von unter vier Jahren. Insgesamt wurde für 209.021 Kleinkinder ein Asylantrag gestellt. Sie werden, wenn ihre Eltern in Deutschland bleiben, hier das Bildungssystem durchlaufen und haben damit gute Chancen, in Deutschland voll integriert zu werden.

Arbeitsmarktforscher sehen in ihnen deswegen das größte Potenzial für den deutschen Arbeitsmarkt

 

 

Woher kommen die Geflüchteten?

Laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge kamen die meisten Menschen im Jahr 2015 aus Syrien, Afghanistan, dem Irak und Pakistan nach Deutschland. Das hat sich mittlerweile leicht verändert. Zwar fliehen nach wie vor die meisten Menschen aus Syrien (27 Prozent) nach Deutschland, aber es kommen viel weniger Menschen aus Afghanistan in die Bundesrepublik. Nur noch sechs Prozent der Geflüchteten sind aus diesem Land. Die zweitgrößte Gruppe der Geflüchteten bilden mittlerweile Menschen aus dem Irak. Jeder und jede Zehnte kommt von dort. Ebenfalls sechs Prozent der Geflüchteten kommen aus dem Iran, der Türkei und Nigeria.

Gute Chancen, zunächst in Deutschland bleiben zu können, haben jedoch nur die Syrerinnen und Syrer. Über 90 Prozent von ihnen bekommen Asyl, subsidiären Schutz oder Flüchtlingsschutz nach der Genfer Konvention. Anders sieht es bei Menschen aus Afghanistan und Irak aus. Während 2015 noch 89 Prozent der Irakerinnen und Iraker einen Schutzstatus erhielten, war es 2018 nur noch jeder oder jede Dritte. Ähnlich bei den Geflüchteten aus Afghanistan: Bekamen 2015 noch zwei Drittel dieser Menschen einen Schutzstatus, war es 2018 nur noch jeder oder jede Dritte.

 

 

Was hat die Flüchtlingskrise gekostet?

Das weiß niemand. Weil Bund, Länder und Kommunen sich die Kosten teilen, ist die Lage unübersichtlich. Und weil viele Ausgaben, von denen Geflüchtete profitieren, auch anderen zugutekommen, ist die Abgrenzung schwierig.

4,4 Prozent des Gesamthaushalts hat der Bund 2018 für Flüchtlinge ausgegeben.

Der Bund ist durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) für die Asylverfahren zuständig. Außerdem kümmert sich die Bundesagentur für Arbeit (BA) um Integrationsmaßnahmen und um Geldleistungen bei schon anerkannten Flüchtlingen. Diese erhalten, wenn sie es brauchen, Arbeitslosengeld II. Für diese Aufgaben hat der Bund zwischen 2016 und 2018 knapp 20 Milliarden Euro ausgegeben.

Dazu kommen für die Jahre 2015 bis 2018 weitere 25,4 Milliarden Euro, mit denen die Bundesregierung laut Finanzministerium den Ländern und Kommunen geholfen hat. Die sind nämlich für die Unterbringung und die Integration von Geflüchteten zuständig, haben aber schon früh gesagt, dass sie das nicht allein schaffen. 2019 sind weitere 6,2 Milliarden Euro eingeplant. Viele der davon bezahlten Maßnahmen sind aber nicht ausschließlich Menschen, die als Geflüchtete nach Deutschland kamen, vorbehalten, sondern kommen auch anderen Gruppen zugute. Deshalb gibt es keine Zahl, die ausschließlich für geflüchtete Menschen gilt.

Die Gesamtausgaben des Bundes beliefen sich 2018 auf 341 Milliarden Euro. Der Anteil der Kosten für Geflüchtete in diesem Jahr lag bei 4,4 Prozent. Weil die Steuereinnahmen bei Bund, Ländern und Kommunen seit 2015 angestiegen sind, konnten sie diese Kosten aber aus den laufenden Einnahmen finanzieren und mussten keine neuen Schulden aufnehmen. Im Gegenteil, die Bundesregierung hat eine Flüchtlingsrücklage in Höhe von mittlerweile 35 Milliarden Euro gebildet, die noch gar nicht angetastet wurde.

 

Wie viele Geflüchtete haben einen Job?

Derzeit liegt die Beschäftigungsquote der Geflüchteten bei rund 35 Prozent. Ziel der Bundesagentur für Arbeit ist es, im Jahr 2025 eine Quote von 50 Prozent zu erreichen. Das würde dann der Quote bei der Gruppe aller anderen Migrantinnen und Migranten in Deutschland entsprechen. Detlef Scheele, Bundesvorsitzender der BA, sagte ZEIT ONLINE, er erwarte, dass diese Quote sogar etwas eher erreicht sei.

50 Prozent klingt vielleicht niedrig. Aber in der Beschäftigungsquote werden auch Kinder, Jugendliche und Rentner mitgerechnet, die aus guten Gründen nicht arbeiten und die Quote senken. Zum Vergleich: Die Beschäftigungsquote der Deutschen liegt bei 69,4 Prozent.

 

Die Integration in den Arbeitsmarkt dauert allerdings, hat das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) ermittelt. Während nur acht Prozent der Migrantinnen und Migranten im jeweiligen Zuzugsjahr eine Arbeit finden, sind es nach fünf Jahren schon 50 Prozent, nach 15 Jahren aber knapp 70 Prozent.

In welchen Jobs arbeiten Flüchtlinge?

Am ehesten fanden die Geflüchteten über Zeitarbeit in den Arbeitsmarkt. Jeder Dritte von ihnen fand zunächst einen Job als Leiharbeiter oder als Leiharbeiterin. Einige steigen auch zunächst über einen Minijob ein.

35 Prozent der Geflüchteten haben einen Job gefunden.

Sie arbeiten dann im Dienstleistungsgewerbe – zum Beispiel als Gebäudereiniger – sowie im Gastgewerbe und in der Kfz-Branche. Auch im verarbeitenden Gewerbe fanden viele Geflüchtete Arbeit, hat die BA festgestellt. Geflüchtete übernehmen dabei vor allem eher unattraktive Jobs für Ungelernte und Angelernte, für die die Arbeitgeber nur schwer Personal finden. Die Behauptung, dass Flüchtlinge den Deutschen die Jobs wegnehmen würden, trifft also nicht zu.

Wie viele Geflüchtete machen eine Ausbildung?

Laut Angaben der Bundesagentur für Arbeit befinden sich 38.000 Geflüchtete derzeit in einer Ausbildung. Die Zahl ist damit stetig gestiegen. 2017 machten nur 27.000 Flüchtlinge eine Ausbildung, 2016 nur 3.900. Insgesamt gibt es 530.000 Ausbildungsplätze. Auch auf dem Lehrstellenmarkt gilt: Geflüchtete füllen vor allem Lücken, wo Betriebe keine anderen Auszubildenden mehr finden.

38.000 Flüchtlinge machen derzeit eine Ausbildung

Das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung sieht als Grund dafür die hohen Anforderungen an Berufsschulen. Viele Geflüchtete müssen erst mal Deutsch lernen und Schulabschlüsse nachholen, bevor sie eine Ausbildung machen können. Das bedeutet, dass sie insgesamt mindestens fünf Jahre mit geringem Verdienst rechnen müssten. Nicht wenige nehmen deswegen lieber einen unqualifizierten Job an, in dem sie aber schneller Geld verdienen können.

Wie viele Geflüchtete beziehen Hartz IV?

Trotz der guten Integration am Arbeitsmarkt beziehen zwei von drei Geflüchteten der Bundesagentur für Arbeit zufolge Hartz IV. Ende 2018 bekamen 603.000 Personen Grundsicherung, obwohl sie erwerbsfähig waren. Hinzu kommen 386.000 Kinder und Menschen, die nicht mehr erwerbsfähig sind und ebenfalls Grundsicherung erhalten. Insgesamt sind 15 Prozent aller Leistungsbeziehenden in Deutschland Flüchtlinge.

603.000 Flüchtlinge bekommen Hartz IV, obwohl sie erwerbsfähig sind.

Für die Bundesagentur ist die Entwicklung nicht überraschend: Da die meisten Geflüchteten wegen fehlender Sprachkenntnisse oder Qualifikationen nach dem Abschluss ihres Asylverfahrens nicht sofort eine Arbeit finden, beziehen sie zunächst Grundsicherung von den Jobcentern. 

Wo wohnen die Geflüchteten?

Wie viele Menschen ein Bundesland aufnehmen muss, richtet sich zu zwei Dritteln nach dem Steueraufkommen und zu einem Drittel nach der Bevölkerungszahl. Außerdem kommt es auch auf das Herkunftsland an.

Rechtspopulisten behaupten häufig, Flüchtlinge würden den Deutschen günstige Sozialwohnungen wegnehmen. Das lässt sich mit den verfügbaren Statistiken nicht belegen. Zunächst werden Asylsuchende in einer sogenannten Erstaufnahmeeinrichtung untergebracht – das sind in der Regel Massenunterkünfte, zum Beispiel alte Kasernen. 2015 wurden auch viele Turnhallen zu Erstaufnahmeinrichtung umfunktioniert. Weil heute viel weniger Geflüchtete nach Deutschland kommen, reichen die Plätze in den bestehenden Aufnahmeeinrichtungen aus. Geflüchtete bleiben dort maximal sechs Monate und werden in den Bundesländern anschließend auf die Stadt-und Landkreise entsprechend des oben erwähnten Schlüssels verteilt. Dort bekommen sie eine Unterbringung entweder in einer weiteren Gemeinschaftsunterkunft oder einer Wohnung. 

Die Stadt- und Landkreise sind für die Unterbringung zuständig. Bevorzugt eine Sozialwohnung erhalten Geflüchtete nicht. Die Städte und Kommunen dürfen bei der Verteilung niemanden diskriminieren, aber in Städten mit einem angespannten Wohnungsmarkt – Berlin, Hamburg, München oder Frankfurt etwa – haben Geflüchtete häufig das Nachsehen. Weil sie oft entweder arbeitslos sind, nur einer geringfügigen Beschäftigung nachgehen oder nur wenig Geld verdienen, haben sie es auf dem Wohnungsmarkt schwer. Außerdem bevorzugen viele Vermieter lieber deutsche Mieterinnen und Mieter – auch in billigen Wohnungen.

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Kommentare

20 Kommentare Seite 1 von 5 Kommentieren

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Um nur mal eine irritierende Zahl zu nennen: Hamburg allein als Kommune gibt jährlich seit 2016 zwischen 800 und 900 Mio für seine gut 50.000 Flüchtlinge aus. Nachzulesen auf der HH-Seite. Dazu gibt es einen Zuschuss vom Bund. Dazu kommen aber auch alleinige Kosten die der Bund trägt. Rechnet man allein die kommunalen Kosten auf 1.7 Mio Flüchtlinge hoch kommt man auf ca.30 Milliarden im Jahr ohne Bundeskosten. Wie erklärt sich die grosse Diskrepanz.? Ist HH so besonders freigiebig oder teuer? Da stimmt doch etwas nicht.

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Interessant wäre die Zahl, wieviel Migranten/Flüchtlinge einer geregelten Arbeit nachgehen und keine zusätzliche finanzielle staatliche Hilfe brauchen.
" Geregelte Arbeit" umfasst ja auch Teilzeitkräfte, Minijobber u.s.w.

Die Aussage " 35% haben einen Job gefunden" differenziert da leider nicht.

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Das ist eine sehr aufschlussreiche Darstellung. Insgesamt unter dem Strich eine Belastung für Deutschland. Das heißt nicht zwingend, dass es ein Fehler war, die Flüchtlinge aufzunehmen, da die Lasten abzuwägen sind gegen die humanitären Aspekte.

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"So viel Prozent der Gruppe gehen einer vertraglich geregelten Erwerbstätigkeit nach"

Richtigerweise sollte die Überschrift über der Grafik lauten: Ziel bis 2025!

"Trotz der guten Integration am Arbeitsmarkt beziehen zwei von drei Geflüchteten der Bundesagentur für Arbeit zufolge Hartz IV."

Hier kommen wir den Wahrheit dann schon eher nahe! Machen wir uns nichts vor, die wenigsten werden in absehbarer Zeit ihren Lebensunterhalt ohne staatlichen Transfer bestreiten können. Zudem will die Regierung den Arbeitsmarkt noch für Arbeitssuchende vom Balkan öffnen. Dadurch werden die weniger Qualifizierten sicher nicht mehr Arbeitsplätze finden. Die Arbeitgeber reiben sich schon die Hände!

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